
11
»Ich kann es nicht glauben, dass ich das Drachenherz geworden bin.« Ich jammere nicht oft, aber ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment gerne geheult hätte.
»Das bist du auch nicht. Du bist nur das Gefäß, das ein Fünftel des Herzens aufbewahrt.«
»Du sagst das so, als käme das jeden Tag vor, als ob es etwas ganz Unwichtiges wäre, und doch fahren wir hier durch ein ausgetrocknetes Flussbett, um die größte Koryphäe in Sachen Drachenwissen, die dir eingefallen ist, um Rat zu fragen.« Ich biss mir auf die Zunge, als der Jeep durch ein besonders großes Schlagloch fuhr. »Sind das wilde Pferde?«
Gabriel blickte auf die kleine Pferdeherde, die durch das gelbliche Gras streifte. Die Erde war hier so rot wie die Sonne, die langsam am Horizont unterging. Viel gab es hier nicht zu sehen, hauptsächlich hohes Gras, kleine, vertrocknete Büsche und Akazienbäume, aber ich fand die Landschaft seltsam anziehend.
»Brumbies«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Wildpferde nennt man hier Brumbies.«
»Ah.«
»Ich hatte sowieso vor, mit dir hierher zu fahren«, sagte er und riss das Steuer herum, um ein kleines braunes Tier nicht anzufahren. »Bilby!«
»Dir auch Bilby«, erwiderte ich fröhlich.
Gabriel lachte und schaltete die Scheinwerfer des Landrovers an. »Das war ein Bilby, mein kleiner Vogel. Sie gehören zu den gefährdeten Tierarten und sind nachtaktiv, deshalb bekommt man nur selten welche zu sehen. Sie sind mit der Grund, warum wir hier draußen sind.«
»Hier draußen in der Pampa?« Ich spähte durch das staubige Fenster. Die Ansammlung kleiner Gebäude verschwand in der Ferne. Der Himmel glühte rötlich orange, als die Sonne hinter den Hügeln versank und alles in einen warmen gelblichen Schimmer tauchte. »Allzu viele Leute scheinen hier nicht zu leben. Liegt es daran, dass es so trocken ist?«
»Zum Teil. Lajamanu ist eine relativ neue Siedlung. Die weiße Regierung hat die Warlpiri hierher umgesiedelt, einschließlich der Familie meiner Mutter. Zu Anfang gab es ein paar Probleme, aber schließlich wurden die Leute hier sesshaft. Es ist vielleicht nicht gerade das, was man unter einer gut funktionierenden Gemeinschaft versteht, aber sie kommen zurecht.«
»Ich verstehe.« Wir waren auf einem winzigen Flughafen gelandet, mit einem Flugzeug, das scheinbar nur von Klebeband und Hoffnung zusammengehalten wurde. Der Ort war sehr klein, aber ich hatte gerade einmal Zeit, einen einheimischen Künstler zu bewundern, der ein Bild in leuchtenden Farben malte, bevor Gabriel Maata und Tipene in die eine Richtung schickte, und wir uns mit einem zerbeulten alten Landrover, der offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen hatte, in die andere bewegten.
»Die Wulaign Rangers in diesem Gebiet leben draußen im Busch und überwachen die Tiere.« Wir holperten über tiefe Schlaglöcher um eine spitze Felsformation herum auf eine Baumgruppe zu. Ein letzter Strahl der untergehenden Sonne fiel auf eine Stelle zwischen den Bäumen. »Da vorne ist der Fluss. Dort werden wir wahrscheinlich die Nacht verbringen.«
Er warf mir einen neugierigen Blick zu. »Ich habe dich nie gefragt, ob du gerne zeltest. Jetzt wäre wahrscheinlich der richtige Zeitpunkt dazu.«
»Cyrene wäre für nichts in der Welt dazu zu bewegen, nicht für den größten See der Welt, aber ich habe nichts gegen Natur.«
Eine große Grille flog durch das Fenster und klatschte gegen mein Gesicht. Vor lauter Schreck wurde ich sofort zum Schatten und versuchte, sie wegzuschlagen. Sie verhedderte sich in meinen Haaren, und ich steckte kreischend den Kopf aus dem Fenster, um das Tier loszuwerden. Gabriel lenkte mit einer Hand und entfernte mit der anderen das Insekt von meinem Kopf. Er hielt es vor mich und blickte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als ich wieder aus den Schatten trat.
»Na gut, vielleicht würde ich nicht gerade zu den Pfadfindern gehen, aber meine Reaktion, auf ein riesiges Insekt kannst du nicht zum Maßstab machen. Ich liebe Tiere. Im Großen und Ganzen. Und sie mögen mich. Ich habe es bloß nicht so gerne, wenn sie mir ins Gesicht fliegen.«
Die Zikade gab ein merkwürdiges, zirpendes Geräusch von sich, als ob sie mir zustimmte. Gabriel lachte und warf sie aus dem Fenster. »Du bist doch nicht nervös, oder?«
»Ach, du liebe Güte, nein. Warum soll ich denn nervös sein?«
Wieder blickte ich aus dem Fenster. Es wurde rasch dunkel, und die letzten orangeroten Streifen am Horizont wurden vom samtigen Schwarz der Nacht aufgesogen. »Der Mann, dem ich ewige Liebe geschworen habe, hat mir gerade mitgeteilt, dass sich in mir ein Fünftel des unendlich wertvollen Drachen-Artefakts befindet, was bedeutet, dass ich begehrte Beute für jeden ungebundenen Wyvern bin, der mich gerne haben möchte. Mein vorübergehend abwesender Arbeitgeber stellt wer weiß was in der sterblichen Welt an. Mein Zwilling ist in ein Chaos verwickelt, das anscheinend nur ich wieder in Ordnung bringen kann, und, ach ja, ich werde die Mutter meines Partners kennen lernen, die so viel über altes Drachenwissen weiß, dass sie Besucher aus der ganzen Welt empfangt. Nervös? Warum soll ich nervös sein?«
Es tat mir leid, dass ich so grimmig klang, aber ich konnte nicht anders. Gabriel warf mir einen Blick von der Seite zu, seine Augen glänzten hell im schwindenden Licht. Plötzlich erfüllten mich überwältigende Gefühle. Ich blickte ihn an und sah nicht nur einen unglaublich gut aussehenden Mann, sondern meinen Mann, meinen silberäugigen, sexy Gefährten mit der Samtstimme. Er gehörte mir, und eine Mischung aus Verlangen, Lust und Leidenschaft stieg in mir auf, bis ich das Gefühl hatte, meine Haut stünde in Flammen.
»Halt an«, sagte ich leise. »Halt sofort an.«
Er warf mir einen verblüfften Blick zu, als ich mich auf ihn stürzte. Zum Glück brachte er den Wagen zum Stehen, bevor ich den Griff fand, mit dem man den Sitz zurücklegen konnte.
»Mayling? Was...«
Der Sitz krachte nach hinten und Gabriel mit ihm. In Sekundenschnelle war ich über ihm. »Du bist so heiß«, murmelte ich und riss mir die dünne Bluse, die ich trug, vom Leib. »Dein Feuer verbrennt mich, Gabriel. Ich möchte dich überall abschlecken.«
»Das sehe ich«, erwiderte er und bedachte mich mit einem glühenden Blick. »Ich habe nichts dagegen, dein Feuer zu löschen, mein kleiner Vogel, aber ich bin mir nicht sicher, ob der Ort hier so gut gewählt ist.«
»Du redest zu viel«, bemerkte ich und leckte ihm über die Lippen. »Und du hast viel zu viel an.«
»Definitiv«, stimmte er mir zu. Ich verrenkte mich, um die Khakishorts auszuziehen, die ich mir erst bei unserer Ankunft in Australien angezogen hatte. Mein Verlangen wurde immer heftiger, und ich wimmerte frustriert, als ich die Hose nicht gleich herunterbekam. Entschlossen riss ich sie mir vom Leib. Gabriels Augen weiteten sich bei dem Anblick. Ich folgte seinem Blick auf meine Hände, die irgendwie ihre Form verändert hatten. Sie waren mit den gleichen, schimmernden Silberschuppen bedeckt, die ich bei ihm gesehen hatte, und meine Fingernägel waren blutrote Krallen. Eine neue Welle des Verlangens schwappte über mich. Ich erschauerte, aber nicht vor Kälte. Ich riss mir die letzten Kleidungsstücke vom Leib und sagte keuchend, als sei ich zu schnell gelaufen: »Ich brauche dich, Gabriel. Sofort. Auf der Stelle.«
Er brach in Flammen aus, als ich ihm das Hemd von der Brust zerrte und begann, an einem kleinen braunen Nippel zu knabbern. Allein schon sein Geschmack brachte mich beinahe zum Höhepunkt und verstärkte mein Verlangen.
»Bitte«, stieß ich flüsternd hervor und küsste ihn. Ich gab ihm all mein Feuer und empfing seines dafür. Er befreite sich von seiner Hose und rieb sich an mir. Meine Empfindungen waren unbeschreiblich. »Es ist, als wäre ich eine einzige erogene Zone«, murmelte ich und bog mich ihm entgegen, als Flammen um uns herum züngelten.
»Das ist das Stück Drachenherz«, sagte er und streichelte meine Brüste, bis ich am liebsten gleichermaßen vor Lust und Frustration geschrien hätte. »Es ist die Essenz des Drachenseins, und du empfindest einen Teil unserer Gefühle.«
»Was für ein Glück, dass ich eine Doppelgängerin bin«, keuchte ich, als er meine Nippel in den Mund nahm. »Das würde ich sonst nicht überleben.« Ich sah Sterne - im wahrsten Sinne des Wortes als ich mit meinen Klauen eine feurige Spur über seine Haut zog.
»Du wirst das hier überleben und noch viel mehr«, erwiderte er und wandte seine Aufmerksamkeit meiner anderen Brust zu. Sanft biss er in den Nippel, und dann glitten seine Lippen erneut zu meinem Mund. Das Feuer um uns herum loderte, aber es war nichts im Vergleich zu der Hitze in mir. Ich wand mich, und meine Zunge schlang sich um seine, bis ich mich schließlich unweigerlich dem Höhepunkt näherte. Er trieb seine Finger - seine Klauen - heiß wie flüssigen Stahl in mich hinein, und meine Muskeln umschlossen ihn. Und dann kam ich, so heftig wie noch nie zuvor. Einen Moment lang verwandelte ich mich in eine Gestalt, die fremd war und doch vertraut zugleich. Ich warf den Kopf zurück, um meine Lust herauszubrüllen, aber die Stimme war nicht mehr meine eigene.
»Hab keine Angst vor der Verwandlung, kleiner Vogel«, sagte Gabriel, als ich wieder ich selber war. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit, und ich fühlte mich getröstet, auch wenn ich einen Moment lang am liebsten geflüchtet wäre. »Ich lasse nicht zu, dass dir ein Leid geschieht.«
»Das habe ich auch nie angenommen«, sagte ich und beugte mich über ihn. Meine Lippen streiften seine, aber als meine Brüste seine Haut berührten, stieg von Neuem das Verlangen in mir auf, meine Hände verwandelten sich wieder in Klauen, und plötzlich wollte ich ihn nur noch in mir spüren. Ich wollte in ihm versinken, bis ich nichts anderes mehr wusste. Ich schrie auf, als er mich auf seinen Penis setzte, und dann stieß er in mich hinein, und ich empfand eine Lust, die über alles hinausging, was ich je gekannt hatte.
Zeit spielte keine Rolle mehr, als wir uns dort draußen im Busch liebten, eingehüllt in Dunkelheit, erfüllt von Feuer, umgeben nur von Himmel und Erde. Vermutlich war nur wenig Zeit verstrichen, weil Gabriel und ich schnell zum Höhepunkt kamen, aber als ich keuchend wieder auf meinem Sitz lag, kam es mir vor, als sei eine Ewigkeit vergangen. Ich hob meine Hand und sah erleichtert im schwachen Licht des Autos, dass sie wieder ganz normal aussah, mit meinen eigenen Fingern.
»Wenn du jetzt irgendwas von einem fehlenden Vorspiel sagst, schlage ich dich«, sagte ich und blickte den Mann neben mir an Wieder einmal dachte ich, wie schön er war.
Gabriel lachte leise, ein sinnlicher Laut, der mich erschauern ließ, als die kühle Abendluft über die Schweißperlen auf meiner Haut glitt.
»Ich wollte es eigentlich gar nicht erwähnen, aber jetzt, wo du es sagst...«
Ich ballte die Faust und schwenkte sie vor seinem Gesicht. Er grinste, stellte seinen Sitz aufrecht, wobei er kurz das Gesicht verzog, als er an seiner Seite herunterblickte. Die Striemen, die meine Krallen hinterlassen hatten, waren immer noch sichtbar.
»Agathos daimon. Sag mir, dass ich das nicht war«, sagte ich und beugte mich vor, um die Kratzer aus der Nähe zu begutachten. Sie waren rot und erhaben, bluteten aber nicht.
»Es ist schon in Ordnung, mein kleiner Vogel. Schau mich nicht so entsetzt an. Es tut nicht weh. Jedenfalls nicht sehr.«
»Oh, Gabriel, es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Es war nur... du sahst plötzlich so gut aus. Du siehst natürlich immer gut aus, aber dieses Mal war es anders. Alles war anders. Und diese Krallen... ich hatte doch keine Ahnung, dass ich dir wehtun würde. Was kann ich denn tun, um die Wunden zu heilen?«
Gabriel ergriff meine Hände und zog sie an seinen Mund. »Es sind Paarungsmale, mein Vögelchen. Das ist bei Drachen ganz normal, und ich kann dir versichern, dass es mir lieber ist, sie ein bisschen zu spüren, als keine zu haben.«
»Aber warum heilen sie denn nicht?« Ich betrachtete die Kratzer stirnrunzelnd. »Sie dürften doch eigentlich schon längst nicht mehr zu sehen sein. Es ist doch schon genug Zeit verstrichen.«
»Paarungsmale heilen langsamer als andere Verletzungen. Mach dir keine Sorgen, May«, erwiderte er lächelnd. »Du hast mir große Lust bereitet.«
Ich blickte wieder auf meine Hände. Es war nicht zu leugnen, dass die Erfahrung, die wir gerade geteilt hatten, über meine Vorstellungskraft hinausgegangen war, aber die seltsamen Gefühle, die von mir Besitz ergriffen hatten, gefielen mir nicht.
»War es das Drachenherz, das meine Hände verwandelt hat? Passiert das anderen Drachengefährtinnen nicht?«
Er blickte mich an und küsste meine Fingerspitzen. »Es tut mir leid, dass du Angst hattest, May. Ich würde dir nur zu gerne versichern, dass die Tatsache, dass du das Gefäß für das Stück Drachenherz bist, gar nichts verändert, aber das kann ich nicht. Es ist jetzt ein Teil von dir, und solange das der Fall ist, wirst du erfahren, was es heißt, ein Drache zu sein.«
Ich fröstelte, obwohl die Nachtluft mild war. Plötzlich merkte ich, dass ich nackt war und unsere Kleider in Fetzen um uns herumlagen. Ein leiser Schreckenslaut entschlüpfte mir, als ich mich nach etwas umschaute, das noch tragbar war.
»Nimm das hier«, sagte Gabriel und reichte mir sein Hemd, das zum Glück heil geblieben war, weil er die Geistesgegenwart besessen hatte, es aufzuknöpfen.
»Was für ein Glück, dass du so klein bist«, sagte er. »Sonst haben wir nichts dabei. Meine Hose kann ich dir leider nicht anbieten, aber sie würde dir sowieso nicht passen. Ich hatte nicht erwartet, dass wir uns umziehen müssen, sonst hätte ich Maata und Tipene nicht schon mit unseren Koffern vorausgeschickt.«
»Das geht schon«, sagte ich und knöpfte das Hemd zu. Es reichte mir bis an die Knie, und ich musste die Ärmel aufrollen, aber ich konnte zumindest meine Blöße bedecken.
»Ich weiß allerdings nicht, was wir deiner Mutter sagen sollen.
Sie wird genau wissen, was wir getan haben.« »Ich glaube, so ziemlich jeder im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern weiß, was wir getan haben«, antwortete Gabriel amüsiert. »Du hast deine Lust so laut herausgeschrien, dass du schlafende Tiere geweckt hast.«
Ich verzog das Gesicht. Er zog mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. » Es hat mir gefallen, dass du es so schön fandest.«
Ich rieb meine Wange an seiner Brust, erwiderte aber nichts. Die Gefühle, die von mir Besitz ergriffen hatten, machten mit Sorgen. Ich wollte nicht langsam von einer Drachenessenz überwältigt werden, die so mächtig war, dass sie mich in ein anderes Wesen verwandeln konnte. Ich war gerne ich selbst, trotz all meiner Probleme und Kümmernisse.
Die Frage war allerdings, ob ich in dieser Angelegenheit überhaupt eine Wahl hatte.